Botschaft Nachhalige Lebensweise

Moderne Technik hilft und verführt. Sie hilft, da die vorhandene Energie immer effizienter genutzt werden kann. Sie verführt, da immer mehr Energie verbraucht wird. So werden die Häuser immer besser gedämmt, doch dann werden mehr Räume als früher geheizt und die Temperatur wird auf ein viel zu hohes Niveau angehoben. Die Autos verbrauchen immer weniger Treibstoff, doch die Zahl der PS und der gefahrenen Kilometer nimmt ungleich stärker zu. Alle Effizienzsteigerungen sind sinnlos, wenn sie nicht mit einer Änderung des Lebensstils verbunden sind. Dazu aber braucht es die Religion, denn sie ist eine Lebensstilspezialistin, die menschliche Erfahrungen aus Jahrtausenden zusammenfasst. Sie spricht von Grundhaltungen oder Tugenden, die gelungenes Leben auf den Begriff bringen.

So erzählt die Religion von der Ehrfurcht, vom Staunen über die Größe der Schöpfung. Die Haltung des Staunens zeigt sich körperlich in einem Zurücktreten, indem sich der Mensch selbst aus dem Zentrum nimmt. Der hl. Benedikt empfiehlt dem Ökonomen, dem, der in der Ordensgemeinschaft für den wirtschaftlichen und gewinnbringenden Umgang mit den materiellen Gütern zuständig ist, alle Dinge so anzufassen, wie die liturgischen Kelche. Die Tugend der Ehrfurcht würde der ganzen Welt und der Gesellschaft mehr als guttun, weil sie lehrt, alle Dinge wie mit Samthandschuhen anzufassen.

Die Religion erzählt aber auch von der Demut. Die Bedeutung des Wortes stammt vom lateinischen Begriff der „humilitas“. Das darin enthaltene Wort „humus“ (Erde, Staub), erinnert daran, dass der Mensch trotz seiner himmlischen Zukunft ein ganz gewöhnlicher Erdling ist und wieder zur Erde wird. Die Demut erinnert an die Grenzen und daran, dass jeder menschliche Umgang mit der Schöpfung seine Grenzen hat.

Die Religion erzählt auch von der Tugend des Maßhaltens. Wie ein Menschen nicht schöner wird, wenn er immer gewichtiger wird, sondern wenn die Maße stimmen, so gilt das auch für den Umgang mit allen Dingen dieser Welt. Der Menschen wird nicht glücklicher, wenn er immer mehr Energie verbraucht, sondern dann, wenn die eigenen Bedürfnisse mit jenen der anderen Menschen, der zukünftigen Generationen und des ganzen Kosmos in Einklang gebracht werden. Der Philosoph Platon gebraucht dafür sogar den Begriff der „Harmonie“, weil sich der Mensch dann wie ein Instrumentalist in einem Orchester wahrnimmt, der nur eine kleine Stimme und dennoch Teil einer großen Symphonie ist.

 

Diese und weitere Tugenden werden in der Kirche seit einigen Jahrzehnten auch auf die neu entstandenen Probleme angewandt. Zwei Bereiche sind dafür besonders bezeichnend.

Zunächst geht es um die Mobilität: Das private Verkehrsmittel gilt als wichtiges Symbol der Freiheit und des Wohlstandes. Doch was ist das für eine Freiheit, bei der jemand festgebunden ist? Was ist das für eine Freiheit, wo es faktisch kaum genutzte Alternativen gibt? Die Kirche trägt dazu bei, die Freude an der eigenen Bewegung wieder zu entdecken. Menschen lernen pilgern, sie erfahren einen Zugewinn durch „Autofasten“ und entdecken wie schön es ist, zu Hause bei der Familie zu bleiben.

Oder der Bereich der Ernährung: Die hoch industrialisierte Landwirtschaft und der gnadenlose Preiskampf produzieren wohl Überschüsse und eine unverantwortliche Form der Massentierhaltung, aber ein Gutteil der Lebensmittel wird dann wieder weggeworfen. Die Nahrungsmittel sind dadurch weder gesünder noch bekömmlicher geworden. Die Kirche trägt dazu bei, den Geschmack am Leben wieder zu finden. Sie fordert den regionalen und saisonalen Einkauf, sie fordert faire Preise und biologische Produkte. Schließlich trägt sie bei zu einer hohen Mahlkultur, indem sie eine Vielzahl an Riten rund um das Essen herausbildet (Tischgebet, Erntedankfest usw.).

 

Eine Änderung des Lebensstils, einen Umgang mit der Welt, der von Verantwortungsbereitschaft und lebendigkeitssteigernder Demut gekennzeichnet ist, wird immer dringender. Möglichst viele Einzelpersonen und Institutionen mögen dazu beitragen. Der Kirche kommt dabei die wichtige Aufgabe der Motivation zu. Denn im Vertrauen auf Gott kann ein Mensch gern auf etwas zu verzichten ohne zu fürchten, etwas zu verlieren.

 

Dr. Allmaier Peter

Dompfarrer